Sorge oder Krise – Wann hole ich mir Hilfe?

Shownotes

Hilfe in Krisen: Wenn du oder eine angehörige Person sich in einer scheinbar ausweglosen Situation befindet, zögere nicht Hilfe anzunehmen bzw. anzubieten!

Schnelle und unkomplizierte Hilfe ist oft nur einen Anruf entfernt. Nutzen wir sie, wenn wir oder unsere Freund*innen sie brauchen! Du bist nicht allein - wenn du Hilfe brauchst, melde dich.

01 31330 - der Psychiatrische Notdienst des PSD-Wien ist 24 Stunden an jedem Tag erreichbar.
Wenn du in einer Krise steckst, kannst du auch das Kriseninterventionszentrum Wien (10-17 Uhr) unter 01 406 9595 kontaktieren.
Der First Level Support beratet und informiert junge Menschen und ihr Umfeld bei psychiatrischen und psychosozialen Belastungen unter der Nummer 01/31330 bzw. unter der E-Mail Adresse fls@psd-wien.at.

Was ist der Unterschied zwischen einer Sorge und einer Krise? Wie kann der erste Schritt ausschauen, wenn ich mir Hilfe holen will? In dieser Folge sprechen wir mit Ardjana Gashi, Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin und Gerlinde, EX-IN Genesungsbegleiterin, über persönliche Genesungswege, Unterstützungsangebote und darüber, warum es bei Hilfe immer besser ist, zu früh dran zu sein, als zu spät.

Ardjana ist fachliche Leitung beim First Level Support und der Psychsozialen Unterstützung an Wiener Schulen. Sie erklärt uns, wie ich herausfinde, welches Angebot zu mir passt, und geht auf Begriffe wie stationär, ambulant oder psychiatrisch ein. Gerlinde teilt ihre Erfahrungen als Genesungsbegleiterin und zeigt, warum es so wichtig ist, mit Betroffenen selbst zu sprechen – nicht nur über sie. Beide machen uns Mut, Unterstützung in Anspruch zu nehmen und sich Verbündete zu suchen.

Links zur Folge:
First Level Support (FLS): psd-wien.at/fls
Telefonische Hilfe PSD-Wien: psd-wien.at/behandlung-und-betreuung/telefonische-hilfe
Kriseninterventionszentrum: kriseninterventionszentrum.at

Psychische Gesundheit ist wichtig. Darüber zu reden auch. Wenn es dir nicht gut geht, zögere nicht, dir Hilfe zu holen.

Reden hilft: In Wien ist die Sorgenhotline Wien für jede Art von Sorgen zwischen 8 und 20 Uhr erreichbar: 01/4000-53000. Im Krisen- und Notfall steht der Sozialpsychiatrische Notdienst (SND) in Wien rund um die Uhr unter der Rufnummer 01/31330 zur Verfügung.

Transkript anzeigen

00:01:05: Alexandra: Hallo. Es ist wieder so weit - Rauschzeit. Wir sprechen offen über Substanzen. Konsum und psychische Gesundheit. Gemeinsam mit Menschen, die sich auskennen. Wir wollen uns informieren und Vorurteile abbauen. Und wir sind uns sicher, dass wir damit nicht alleine sind. Heute mit mir, Alexandra:

00:20:12: Natalia: und mit mir, Natalia.

00:23:03: Alexandra: Wir sprechen heute auch über Themen, die von manchen Menschen als belastend empfunden werden. Mehr Infos zu dieser Folge findest du in den Shownotes. Wenn du dir unsicher bist, höre sie ein anderes Mal oder nicht alleine.

00:39:24: Alexandra: Hallo und willkommen zurück bei Rauschzeit. Ich sitze heute hier mit meiner Kollegin Natalia.

00:46:00: Natalia: Hallo

00:46:57: Alexandra: und zwei sehr spannenden Gästen, die wir euch gleich vorstellen werden. Zuerst aber Natalia, über welches Thema reden wir denn heute?

00:53:03: Natalia: Ja, heute geht es um ein sehr spannendes Thema. Es wird um das Thema gehen, Hilfe holen und Hilfe bekommen. Wir haben in der ersten Staffel Rauschzeit bereits über Suchttherapie gesprochen. Da haben wir einen Einblick bekommen, wie das so aussieht in einer Einrichtung. Heute geht es aber auch um andere Sorgen. Wir wollen wissen: Wo holt man sich Hilfe? Was ist eine Sorge? Was ist eine Krise? Und was passiert eigentlich, wenn man sich entschließt, bei einer Sorgenhotline anzurufen? Und dafür haben wir zwei Expertinnen eingeladen.

01:25:21: Alexandra: Wir haben das Thema Sorgenhotline aufgebracht. Das ist jetzt schon ein konkretes Angebot aus der Wiener Versorgungslandschaft. Auf das werden wir heute auch noch näher eingehen. Liebe Ardjana, magst du uns einleitend noch kurz erzählen, wer du bist und was die psychosoziale Information so macht?

01:44:01: Ardjana: Ja, voll gerne. Also ich bin eben klinisch- und Gesundheitspsychologin, habe in einigen Bereichen schon gearbeitet und bin jetzt gerade so Teamleitung von der psychosozialen Information, aber auch von der Sorgenhotline Wien und ganz neu jetzt seit Juli, also im Juli hat es gestartet vom First Level Support. Die psychosoziale Information ist ein Teilbereich der sozialpsychiatrischen Soforthilfe von den psychosozialen Diensten Wien. Sie beinhaltet quasi jetzt einmal zwei Nummern. Das ist die 31 330 und die Nummer von der Sorgenhotline Wien 01 4000 53000 und bei der einen Nummer, der 31 330, die 24/7 erreichbar ist. Da ist halt so ein bisserl der Schwerpunkt, Wenn ich eine psychische Krise habe oder wenn ich Fragen zu psychiatrischen Erkrankungen habe oder wenn ich vielleicht auch was Ärztliches brauche. Und die Sorgenhotline, die versucht eher niederschwellig. Aber wie die andere Nummer auch vertraulich und anonym Menschen unmittelbar zu begleiten. Ja.

02:53:15: Alexandra: Und was ist jetzt der Schwerpunkt vom First Level Support?

02:57:11: Ardjana: Ja, First Level Support ist eigentlich so eine Art Erweiterung von dem bestehenden Team. Ich habe vergessen zu erwähnen, dass bestehende Team besteht jetzt beim psychosozialen Information aus klinischen Psycholog*innen, aus Sozialarbeiter*innen, aus diplomierter psychiatrischer Krankenpflege und schwerpunktmäßig Erwachsene oder junge Erwachsene. Und First Level Support soll eben jetzt für die Menschen, für Kinder, Jugendliche und deren Bezugssystem nochmals spezifischer da Angebote bieten.

03:29:04: Alexandra: Und Bezugssystem, das heißt Eltern?

03:31:08: Ardjana: Eltern, Familie, Freunde, Professionist*innen von Kindern und Jugendlichen.

03:36:03: Natalia: Vielen Dank! Wir werden ja noch genauer darauf eingehen, dass wir uns genau unter der Sorgenhotline vorstellen dürfen. Aber wir haben heute auch einen zweiten Gast bei uns, und zwar die Gerlinde Scholz, EX-IN Genesungsbegleiterin. Ein komplizierter Begriff, den wir noch erklären werden. Aber magst du dich vielleicht ganz kurz vorstellen, liebe Gerlinde?

03:56:10: Gerlinde: Ja, sehr gerne. Also mein Name ist Gerlinde. Ich bin 32 Jahre alt. Ich bin in Wien geboren und aufgewachsen. Ähm, ja, manchmal mehr, manchmal weniger gerne in der Großstadt. Ähm und ja, ich habe 2022, 2023 die Ausbildung zur EX-IN Genesungsbegleiterin gemacht und danach gleich beim PSD Wien zum Arbeiten angefangen. An sich so zur Vorbereitung, dass mehr Genesungsbegleiter*innen eingestellt werden in Zukunft und jetzt eben auch seit zwei Wochen grad erst in einem SPA, dann direkt auch mit Patienten und Patientinnen.

04:39:21: Alexandra: Ich weiß das aus meiner täglichen Arbeit beim PSD Wien. Aber magst du noch mal kurz sagen, wofür PSD Wien und SPA stehen?

04:46:14: Gerlinde: Ja, gerne. Also PSD Wien steht für psychosoziale Dienste in Wien. Oder psychosozialer Dienst Wien. Und SPA steht eben für sozial psychiatrisches Ambulatorium.

04:58:19: Natalia: Und mich würde jetzt noch interessieren, wir kommen noch genauer drauf zu sprechen, aber ganz kurz EX-IN was ist das?

05:05:04: Gerlinde: Ja, also EX-IN und Genesungsbegleitung ist in dieser zwei Sachen, die zusammengehören. Für mich zumindest. Könnte man aber auch separat sehen, also getrennt voneinander. Genesungsbegleitung ist auf alle Fälle immer professionelle Peerarbeit. Also das heißt eben, dass selbst Betroffene von einer psychischen Erkrankung dann mit anderen Betroffenen arbeiten. Und das EX-IN Curriculum ist eine bestimmte Ausbildung zur Genesungsbegleitung. Das dauert ein Jahr, hat zwölf Module und eben auch zwei längere Praktika, die man absolviert muss.

05:43:11: Natalia: Okay, sehr schön. Das heißt, wir haben dich als EX-IN Genesungsbegleiterin, die diese Ausbildung absolviert hat heute hier und du kannst uns dann von deinen Erfahrungen berichten. Wir freuen uns sehr.

05:54:17: Alexandra: Ich finde es ganz toll, dass wir da heute zwei Perspektiven auf diesen Bereich der Hilfsangebote haben zwei sehr professionelle Perspektiven, aber gleichzeitig auch eine persönliche Perspektive. Ich freue mich sehr, diese Folge heute mit euch aufnehmen zu dürfen. Eine erste Frage, die ich gerne in den Raum stellen würde, weil wir schon Sorgen Hotline gehört haben, weil wir auch schon das Wort Belastung gehört haben. Was ist denn der Unterschied zwischen einer Belastung, einer Sorge, einer Krise? Wo fängt der Moment an, bei dem ich bei einer Sorgenhotline anrufe? Wann spreche ich von einer Krise?

06:28:01: Ardjana: Ähm, okay, gucken mich an. Beantworte ich das mal vielleicht mit meinem Verständnis. Ja, das ist eigentlich eine sehr, sehr tolle Frage, weil ich denke mir das kommt wirklich total auf die Menschen an. Natürlich gibt es dazu in der Theorie einige tolle Sachen, die dann sagen ja, die Sorge ist halt, wenn's halt jetzt gerade mit einer Sache zu tun hat, die ich nicht alleine mehr lösen kann, aber ich kann mich trotzdem davon distanzieren. Und ich kann jetzt auch andere Sachen machen. Krise ist dann schon intensiver, intensiver von den Gefühlen dauert länger an und ich kann nicht mehr so richtig loslassen. Gedankliches beschäftigt mich dann vielleicht auch noch in der Nacht. Ich wache sogar auf in der Nacht. Krise kann so weit gehen, dass ich sogar vielleicht meinen Alltag nicht mehr richtig bewältigen kann. Ja, und ich sage immer Sorge wird oft bagatellisiert. Hilfe holen ist auch bei Sorge sinnvoll.

07:23:02: Alexandra: Das heißt, ab wann darf ich mir Hilfe holen?

07:26:09: Ardjana: Ab sofort. Also wenn ich das Gefühl habe, okay, sei es jetzt, ich hol mir eine neue Perspektive rein oder ich möchte mal mit jemandem reden, der da vielleicht mehr Erfahrung hat bis hin okay, ich kann nicht mehr weiter. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich weiß nicht, ob das überhaupt irgendwie noch allein zu lösen ist. In dem ganzen Spektrum würde ich sagen macht es Sinn, aber eher zu früh als zu spät wäre mein Tipp.

07:50:10: Natalia: Vielleicht hänge ich da noch kurz ran. Wir sprechen ja auch ganz oft jetzt gerade, dass junge Menschen mit vielen Krisen zu tun haben. Ja, das Weltgeschehen ist einfach sehr belastend. Gibt es spezifische Themen, worüber sich junge Menschen gerade häufiger Gedanken machen und sich an euch wenden?

08:11:00: Ardjana: Ja, in der Tat. Junge Leute, also junge Leute, so ab 15 oder 14, je nachdem, haben halt schon so neben dem Ausbildungsthema ist das ganz große Thema so Pandemie. Was hat die Pandemie gemacht? Viele Freundschaften haben in der Pandemie quasi gelitten. Viele Veränderungen, die Sag ich jetzt mal natürlich passieren in meinem Peerumfeld, haben so nicht stattgefunden, weil eben diese monatelange Isolation wirklich jetzt richtig sichtbar wird. Aber auch diese ganzen unsicheren Szenarien auf der Welt, die wir durch das Internet doch sehr nah an uns nach Hause holen können. Kriege, Klimakrise etc. die machen einiges mit den jungen Leuten und oft ist es so das Thema Perspektive wie, was soll es in meinem Leben weitergehen? Und gleichzeitig sehe ich aber auch ganz viel an: okay an Bereitschaft was zu verändern, aber auch so die Ratlosigkeit, wie kann ich was verändern?

09:07:13: Alexandra: Das heißt, wir haben jetzt schon gehört, dass man sich immer Hilfe holen darf, besonders bevor es zu schlimm wird und dass man sich auch bei diesen Themen an eine Stelle wenden kann. Wie kann denn so ein erster Schritt ausschauen, wenn ich Sorgen habe, wenn mich so ein Thema belastet?

09:23:22: Ardjana: Also momentan ist es halt so, dass wir nur telefonisch erreichbar sind bzw. schon auch über E-Mails. Wir arbeiten auch dran, dass wir hoffentlich irgendwann einmal die Chatberatung haben und dadurch dann sage ich jetzt mal auch auf anderen Ebenen nicht telefonisch erreichbar sind. Aber de facto kann ich nur ermutigen anzurufen. Es ist alles sehr vertraulich, auch anonym. Und da jetzt einmal wirklich mit der Person offen in einem ruhigen Setting, also die Kolleginnen sind da auch wirklich gut geschult und ausgebildet, einmal ja, meine Sachen zu besprechen. Es passiert nichts. Es wird auch nicht irgendwie nachgehend gearbeitet.

10:01:19: Alexandra: Und das ist jetzt die Sorgenhotline, von der du redest.

10:04:03: Ardjana: Die Sorgenhotline, aber auch der sozialpsychiatrische Notdienst. Also beide Zugänge werden in diesem Team quasi aufgefangen.

10:12:23: Alexandra: Magst du uns kurz die Nummern durchsagen?

10:15:09: Ardjana: Sicherlich: also der sozialpsychiatrische Notdienst der 24/7 quasi besetzt ist, ist 0131330. Gibt es auch eine super Kampagne dazu: Darüber reden wir. Und die andere Nummer, die Sorgen Hotline ist 01 4000 53000.

10:33:13: Natalia: Genau. Vielleicht noch ganz kurz der Unterschied. Das sind jetzt zwei Nummern. Wann rufe ich bei welcher an?

10:39:15: Ardjana: Also eher bei der Sorgenhotline, wenn ich vielleicht jetzt nicht so die akute Krise habe, wenn ich nicht so das psychiatrische Thema habe, sondern einfach eine Situation: ich mache mir Sorgen um jemanden, wirklich im wahrsten Sinne des Wortes, oder um mich. Oder ich möchte einfach eine Situation oft sind so im Beruf: da geht irgendwie oder in der Ausbildung oder mit der Familie. Ich komm nicht weiter. Ich will jetzt einmal einfach Rücksprache halten und beim sozialpsychiatrischen Notdienst dann doch eher, wenn es heißt, da ist jemand krank oder da könnte eine Krankheit sich irgendwie entwickeln und da möchte ich eher so diesen ärztlichen Zugang vielleicht noch eher irgendwie mir dazu holen. Ja, also ich meine, es sind zwar zwei Nummern, die, sage ich jetzt einmal unterschiedliche Schwerpunkte haben, aber es ist im Prinzip egal, weil es sitzen die gleichen Berufsgruppen dahinter. Natürlich sind auch die Erreichbarkeit hier unterschiedlich, aber es macht überhaupt nichts. Wenn ich jetzt bei der einen Nummer anrufe und vielleicht auch nicht jetzt den psychiatrischen Notfall habe. Eher sind die Nummern ergänzend, weil die Sorgen Hotline ja immer Montag bis Sonntag von 08:00 bis 20:00 geöffnet oder offen und der sozialpsychiatrische Notdienst Tag und Nacht. Also in dem Sinne sind sie auch fließend miteinander verbunden.

11:50:04: Natalia: Das bedeutet im Zweifelsfall einfach eine Nummer wählen und anrufen.

11:53:23: Ardjana: Ja, absolut.

11:55:08: Natalia: Und vielleicht Gerlinde, vielleicht zu dir. Wir haben jetzt ganz viel darüber gesprochen, dass dieser erste Schritt eine Herausforderung sein kann. Dass es nicht immer leicht ist, vielleicht bei so einer Sorgenhotline anzurufen. Aber, dass es sehr wichtig ist. Wie war das bei dir? Wie sah bei dir der erste Schritt aus in deiner Lebensgeschichte. Magst du da vielleicht dann Erfahrung teilen?

12:21:12: Gerlinde: Ja, also ich habe sehr lange eigentlich nicht den ersten Schritt gemacht. Es war so: meine Erkrankung hat sehr früh begonnen. Ich war ca. elf Jahre alt, wie ich das erste Mal Depressionen hatte und in den weiteren Jahren hat sich das immer mehr verschlimmert und es sind ganz starke Schlafstörungen dazugekommen und Suizidgedanken. Und ich habe mich, wie ich zwölf Jahre alt war, meiner Mutter anvertraut mit diesem Thema. Und sie hat gefragt, ob ich mir Hilfe wünsche, ob ich irgendwie Hilfe brauche, hat sie gefragt. Und ich habe damals gesagt Nein, ich will das irgendwie selber versuchen zu schaffen. Als ich 14 Jahre alt war, habe ich erkannt Ich kann es nicht mehr selber schaffen. Ich brauche jetzt professionelle Hilfe. Es ist mir zu viel. Und ich bin dann zu meiner Mutter gegangen und hab gesagt: ja, ich will professionelle Hilfe. Und sie hat aber durch ihre Betroffenheit als eine Schwester einer sehr stark psychisch erkrankten Person, ähm, gleich an die Psychiatrie gedacht und damit sehr viel Negatives verbunden und hat dann deshalb mich letzten Endes zu einer Homöopathin gebracht. Und ich dachte, es wäre eine Psychotherapeutin, weil das war, was ich mir eigentlich gewünscht habe. Also insofern kann ich auch sehr dazu raten, Dinge beim Namen zu nennen. Also zu sagen Ja, wenn ihr irgendwie zu einer Psychotherapie gehen wollt, dann sagt es euren Eltern so oder Angehörigen, Freunden, Familie, weil eben einfach Missverständnisse entstehen können auch. Es ist wieso die Begrifflichkeiten in psychiatrischen System sind sowieso irgendwie so ein Dschungel. Also wäre ich jetzt ein Psychiater, wäre es ein Psychologe, wäre es ein Psychotherapeut. Ist nicht für also für manche erwachsenen Menschen auch nicht so klar. Ähm, ja, aber es war dann eben also es war eigentlich bei mir wirklich so es hat gedauert, bis ich 16 Jahre alt war und wirklich in einer schweren psychischen Krise war. Da hat mich dann meine Schwester eben mit der Rettung begleitet zur Akutpsychiatrie und ich wurde stationär aufgenommen und da habe ich dann meine Diagnose bekommen, was ich persönlich als sehr befreienden befunden habe, weil ich mir gedacht habe Super, endlich hat das Ding einen Namen und jetzt kann ich lernen, damit umzugehen und habe jetzt die Hilfe, die ich irgendwie gebraucht hätte, schon jahrelang. Also ich bin da sehr hoffnungsvoll reingegangen und sehr optimistisch. Ähm, genau das war so.

14:53:19: Natalia: Das war dein erster Schritt, sozusagen. Danke Gerlinde, dass du das so klar mit uns teilst und dass du auch diesen Ratschlag gleich weitergibst. Dinge beim Namen zu nennen. Das Gespräch suchen, das haben wir jetzt ja schon das zweite Mal gehört, dass das ganz wichtig ist. Der Podcast soll ja auch ein bisschen Raum sein, um solche Dinge anzubieten. Vielleicht gehen wir darauf kurz ein. Dieser Begriffsdschungel Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie, stationär, ambulant, tagesklinisch, das ist manchmal schon ein bisschen viel und wir werden es heute auch noch ein paar Mal hören. Ich glaube, Ardjana, da kannst du uns aber ganz gut weiterhelfen. Was ist denn eigentlich der Unterschied zwischen Psychiatrie und Psychologie und Psychotherapie?

15:36:19: Ardjana: Genau. Ja, es ist im Prinzip die Ausbildung. Also ich würde sagen, Psychiatrie ist: wir klären das auch immer wieder so wir Psychosoziale Information macht ja auch immer wieder Fortbildungen in verschiedensten Einrichtungen, auch für Professionist*innen. Und das wird immer gefragt und deswegen haben wir da schon was vorbereitet. Also wenn das jetzt ein bisschen abgespult klingt, bitte nicht, sondern es ist einfach jetzt einmal so meine Definition: Psychiatrie ist ein Medizinstudium, sechs Jahre und sechs Jahre fachärztliche Ausbildung. Schwerpunkt ist natürlich medikamentöse Behandlung. Das heißt, wenn ich zur Facharzt Fachärztin gehe, habe ich hier den Schwerpunkt mit den Medikamenten. Aber nicht nur weil die Fachärztin für Psychiatrie heißen auch ,hier kommt die Verwirrung, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Viele von ihnen machen dann auch in einem gewissen Setting auch eine Psychotherapie-Ausbildung und arbeiten auch therapeutisch. Gut. Dann geht der Übergang zur klinischen Psychologie. Das bin ich. Auch ein fünfjähriges Studium mit einer 2 bis 3-jährigen Fachausbildung, mit Praktika, wo wir zwar auch über Medikamente lernen etc., aber eher so psychoedukativ, dass wir können Leuten erklären, was bedeutet das, was bedeutet das. Und wir bieten klinisch psychologische Behandlung an und unser Schwerpunkt ist auch so die Diagnostik. Die Psychodynamiken erfassen, aber auch Krisengespräche. In der Psychologie gibt es viele Spezialisierungen. Ja. Angefangen von Kinder und Jugend bis hin zur Notfalls Psychologie. Psychotherapie, und jetzt wird es so richtig kompliziert, ist dann noch ein eine Ausbildung, die mit Propädeutikum, das ist so ein dreijähriger theoretische Ausbildungsblock. Den glaube ich im Moment 18 Anbieter*innen in Wien anbieten und 23 Fachrichtungen. Und dann kann man nach diesem Propädeutikum kann Mensch dann eben ein Fachspezifikum machen. Je nach Schule, je nach Richtung sehr spezialisiert, geht sehr tief, geht sehr viel mit Selbsterfahrung ein. Und das ist schwerpunktmäßig die Behandlung, die Begleitung therapeutisch von Menschen, die sag ich jetzt einmal in der Krise sind bis hin psychisch krank. Diese Ausbildung, falls das eh nicht schon einige mitbekommen haben, wird jetzt eben auch akademisiert und soll ab dem Herbst ein Studium werden, worüber ich mich persönlich sehr freue. Ich sage es ehrlich. Ja, weil es ein bisschen einfacher wird, auch für viele Menschen, die total motiviert so eine Ausbildung beginnen, aber dann oft an dieser langen Ausbildung und Kosten scheitern. War das jetzt verwirrend?

18:05:07: Natalia: Nein, nein, das war total gut erklärt. Ich frage mich jetzt noch auf Psychiatrien arbeiten ja oft Menschen multidisziplinär. Was bedeutet das? Es arbeiten verschiedene Berufsgruppen, also Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Sozialarbeit zusammen. Und wenn ich jetzt aber im niedergelassenen Bereich mir jemanden suche, wenn ich eine Sorge habe und zu jemanden gehen will und jetzt ins Internet gehe und mir jemanden suche, wie entscheide ich mich, wie suche ich nach einem Psychiater? Suche ich nach einem Psychologen? Suche ich nach einer Psychotherapeutin?

18:42:15: Ardjana: Dafür gibt es die psychosoziale Information. Es ist wirklich voll schön, die Fragen formuliert. Na ja, es ist wirklich fast wie eine kleine wissenschaftliche Arbeit. Also auch wenn die Leute bei uns anrufen, dann sagen wir auch den Leuten: schön, dass sie da sind. Wir begleiten sie gerne, denn das ist wirklich nicht einfach. Ich mein, Gerlinde hat das eh auch sehr schön beschrieben, noch dazu für jugendliche Leute ist das wirklich mühsam, weil auch das Angebot dort viel weniger vorhanden ist. Oder es gibt kaum Kinder- also Fachärzt*innen für Kinder und Jugendpsychiatrie bzw. Therapie. Da wird noch eher geschaut, dass dann irgendwie Beratung oder Familien systemische Angebote angeboten werden. Nicht selten ist ja auch das Jugendamt dann dabei. Wir versuchen dann einfach mit den Leuten wirklich spezifisch auf Grund. Was ist jetzt die Fragestellung? Welche und geht es um eine Erkrankung? Geht es um eine Krise? Und auch wie viele Ressourcen sind da? Und ich rede jetzt auch von finanziellen Ressourcen, weil noch immer sehr viele Angebote nicht auf Krankenkasse oder Krankenkassen finanziert sind. Und da versuchen wir dann auch mit Unterstützung der Sozialen Arbeit den Menschen da Angebote oder Angebote zurechtzuschneidern. Also so ein bisschen wie ein Makler Prinzip.

19:59:00: Natalia: Das heißt, man kann sich natürlich bei euch auch beraten lassen. Wenn man sich in diesem ganzen Dschungel an Begriffen nicht auskennt. Wohin geht es.

20:05:11: Ardjana: Genau, und begleitend auch beraten lassen. Wir bieten auch die Krisenberatung überbrückend an, ärztlich und auch psychologisch und sozialarbeiterisch.

20:16:05: Alexandra: Wir hören immer wieder die Begriffe ambulant und stationär. Kannst du uns da kurz erklären, was der Unterschied ist?

20:22:03: Ardjana: Also stationär heißt, wenn ich dann in einem Spital, also in Wien ist es halt vom Wiener Gesundheitsverbund meistens. In der Psychiatrie quasi jetzt einmal eine Weile bleibe ich, schlafe dort auch und werde dort quasi in der Station behandelt, nehme an Gruppen Teil ähm Medikamente werden meist eingestellt. Ich habe das mit Vorteil dort. Das erzählen wir auch immer wieder den Leuten, wenn sie so überlegen ist stationär gescheiter, ambulant, dass dann dort auch so Blutbilder gemacht werden, sodass insgesamt die Behandlung vielleicht intensiver und und besser beobachtet werden kann. Ambulant ist, wenn ich jeden Tag wo hingehe zu einem bestimmten Termin. Sei es jetzt bei der Fachärztin, bei der Psychologin, bei irgendwelchen Gruppenangeboten und dann gehe ich wieder nach Hause. Das heißt, ich wohne noch in meinem Umfeld, habe aber eben tagsüber die Behandlung. Das ist beim PSD möglich, das ist in Spitälern möglich oder in anderen Einrichtungen.

21:18:16: Alexandra: Wir haben jetzt schon gehört, dass es einige Hürden gibt auf diesem Genesungsweg. Nachdem ich mal den ersten Schritt gemacht habe und das Gespräch gesucht hab oder mir selber auch eingestanden habe, dass es mir einfach nicht so gut geht. Diese Hürden waren jetzt zum einen: ich weiß nicht wo ich anrufe, ich weiß nicht was ich tun soll. Ich kenn mich in diesem Dschungel nicht aus. Aber auch zum Teil, wenn ihr das richtig rausgehört habeb bei dir, Gerlinde, war es deine Mama, die da ein bisschen skeptisch war.

21:45:07: Gerlinde: Ja, ähm, genau. Aber da würde ich jetzt gar nicht so ganz so nah drauf eingehen weiter.

21:46:07: Alexandra: Müssen wir nicht.

21:47:02: Ardjana: Ich glaube, was viel wichtiger ist, zu sagen auf eine Art ist so die eigene innere Einstellung. Also das war für mich so der Schlüssel. Quasi zu erkennen: Stärke ist nicht okay. Ich kämpfe mich da um jeden Preis allein durch und ich muss das allein schaffen. Sondern Stärke ist eben, sich zum richtigen Zeitpunkt die richtige Hilfe zu holen. Aber es ist auch Stärke zu sagen okay, aber diese Hilfe konkret hilft mir nicht so. Eine andere Hilfe passt gerade besser. Also wirklich zu sagen okay, und das ist eben auch etwas, was Genesungsbegleitung sehr stärken will bei Patienten und Patientinnen wirklich so dieses selber entscheiden, was mir guttut, weil nur ich selber kann ja spüren, was mir hilft und was nicht. Sowohl bei Medikamenten als auch bei Therapien, also was auch immer sonst begleitend an Behandlung angeboten wird. Ähm, das ist wichtig, dass ich das selber in die Hand nehmen und mir das selber nach meinen Bedürfnissen und Wünschen gestalte, dass ich sage okay, ich such mir gezielt das, was hilft und sag auch wenn was nicht hilft. Ganz selbstbewusst.

22:56:04: Alexandra: Das heißt als Genesungsbegleiterin stehst du quasi Patienten Patientinnen zur Verfügung - oder eine Genesungsbegleiterin steht Patienten Patientinnen zur Verfügung, um den eigenen Genesungsweg auch zu teilen und den anderen Genesungsweg zu unterstützen. Habe ich das richtig verstanden?

23:11:20: Gerlinde: Ja, mehr das, was ich und was ja im Grunde dann das ganze multiprofessionelle Team schaffen sollte, also meine Kollegen und Kolleginnen im SPA ist, dass wir gemeinsam einen Raum geben den Patienten und Patientinnen, dass sie selber ihren Genesungsweg gut gehen können, weil das können sie nur selber. Und wir als Team können das nur bestmöglich unterstützen und eben den Raum dafür schaffen, dass Genesung stattfinden kann. Und das ist halt so meine Aufgabe. Teilweise da auch so zu vermitteln. Also weil ja manchmal da der Kontakt ein bisschen schwierig sein kann, also das einfach auch eine andere Sprache gesprochen wird auf eine Art, dass vielleicht professionelle Teams mit sehr viel Fachbegriffen kommen oder einfach auch einen anderen Zugang haben. Und ich habe halt selber dadurch, dass ich selber eine Erkrankung habe, vieles durchgemacht, was manche professionell Tätigen gar nicht so nachempfinden können, wenn sie es selber nicht ähnlich erlebt haben. Wobei es natürlich auch da Menschen gibt, die das erlebt haben, selber oder im Freundeskreis.

24:17:01: Alexandra: Wir haben in der ersten Staffel eine Folge zum Thema: Wie rede ich mit Freunden, Freundinnen, wie komme ich ins Gespräch? Da ging es sehr stark um Suchtproblematiken. Wir sind jetzt ein bisschen näher bei den psychischen Erkrankungen. Wie komme ich dann mit einer Freundin, einem Freund, einer bekannten Person ins Gespräch, wenn es darum geht zu fragen: Na, wie geht's ihr eigentlich?

24:36:03: Gerlinde: Ich glaube, es ist da wichtig, viele Fragen zu stellen, aber nicht unangenehm. Also jetzt nicht ausfragen, aber einfach so fragen: Gibt es was, was dir jetzt gut tun würde? Oder was sind denn deine Bedürfnisse? Also, ähm, und auch wirklich so wie. Wie fühlst du dich gerade wirklich? Und zwar nicht so dieses: ja wie geht’s? Sondern wirklich, wirklich zuhören, glaube ich, ist ganz wichtig. Und eben Zeit und Raum geben, dass sich der Mensch auch öffnen kann, weil das ist echt nicht leicht.

25:13:06: Natalia: Ardjana vielleicht dieselbe Frage an dich: was sagst du, wenn jemand anruft bei dir und fragt Wie kann ich so ein Gespräch anfangen?

25:22:06: Ardjana: Ja, also ich möchte ergänzend dazu sagen nicht nur diese Bereitschaft, glaube ich, braucht, sondern vor allem die Erreichbarkeit. Also was ich jetzt in meinem privaten Umfeld zum Beispiel immer wieder versuche, nicht allen, aber eben den Menschen, denen ich halt näher bin, dass ich ihnen signalisiere. Ich hatte genau gestern so einen Chat mit einem lieben Menschen, der im Moment unter Panikattacken leidet und geplant hat, alleine wegzufahren und dann gesagt hat: aber du bist für mich erreichbar? Und ich habe geschrieben: Ja, das bin ich und zwar richtig. Du kannst mir auch um drei in der Nacht schreiben. Und ich denke mir, vieles passiert einfach auch und ich denke, das ist auch ein bisschen so die Schwierigkeit, die mich jetzt ja so verbindet, das verbal zu kommunizieren. Es geht um meine Haltung, also diese Haltung: ich bin da und mit mir kannst du darüber reden. Wir wissen das alle, ja. Und wenn ich vielleicht Hürden habe, das jetzt in meinem Freundes oder Familienkreis anzusprechen, gehe ich wieder auf das Angebot der Sorgenhotline. Aber ich finde, das ist so wichtig. Dann rufe ich halt fremde Leute an. Manchmal ist es leichter, mit fremden Menschen zu reden, weil da ist einfach eine ganz notwendige Distanz da, weil oft sind wir so nah dran und sehen die Sachen vielleicht nicht.

26:35:13: Alexandra: Ihr beide habt jetzt professionelle Ausbildungen. Als klinische Psychologin bist du geschult, mit Menschen zu reden. Und du, liebe Gerlinde, hast in der Genesungsbegleitung wahrscheinlich auch gelernt: wie gehe ich damit um? Als Privatperson, als Freundin, als Angehörige kann's mir ja auch schon noch mal zu viel werden. An irgendeinem Punkt kann ich auch als Angehörige anrufen bei der sagen Hotline?

26:58:09: Gerlinde: Ja, natürlich. Also ich hab nämlich selber jetzt die Erfahrung gemacht, ähm. Also ich arbeite jetzt seit gut einem Jahr beim PSD Wien, aber ich hab halt selber auch ein paar Menschen in meinem Umfeld, denen es immer wieder psychisch sehr schlecht geht. Ja, das war für mich ganz wichtig. Also erstens mal als Entlastung für mich also sagen, so, was kann ich denn jetzt machen, dass es mir weiterhin gut geht, weil ich glaube, das ist immer ganz, ganz wichtig. Das habe ich schon als junge Erwachsene, wenn ich in schweren Krisen war, meinen Eltern immer gesagt: ihr könnt am besten für mich da sein, indem ihr euch gut um euch selber kümmert. Und man kann nur für andere Menschen da sein, wenn man erstmal für sich selber gut da ist. Und darum ist es auch voll in Ordnung, auch wenn man vielleicht als Angehöriger mal so denkt, ja, ich muss stark sein. Nein, nein, es ist wichtig, dass man sich Hilfe holt und es ist die größte Stärke, wenn man das tut und es stärkt einen dann ja dann auch. Und dann ist man wieder stärker für die anderen Menschen und man kann sich auch Informationen holen, also wirklich so: okay, ja, was hilft denn jetzt meinem Angehörigen, was hilft meinem geliebten Menschen? Und dafür ist das alles da. Super Angebot.

28:08:00: Ardjana: Freut mich.

28:09:03: Alexandra: Adriana, ich sehe dich ganz fest, nicken unsere Zuhörer und Zuhörerinnen, die sehen das jetzt gerade nicht. Aber ich möchte das doch auch mal kurz an dich wenden. Stimmst du zu?

28:18:18: Ardjana: Ich stimme dem zu und ich bin ganz begeistert von diesem Bericht. Ihr seht es ja auch, bzw. ihr hört das ja auch, dass sich das auch natürlich immer recht fließend oder authentisch versuche zu gestalten. Auch meine professionelle Rolle, denn ich bin ja nicht nur klinische Psychologin, sondern eben auch Angehörige. War eine Zeit lang auch selber Betroffene, hatte auch, also ich gehe damit eigentlich auch ganz offen um, vor zehn Jahren ein Burn-out, wo ich auch wo mir alles zu viel war, wo ich dann nur noch im Rückzug und nur noch mit psychiatrischer und psychologischer Hilfe quasi da rausgekommen bin. Und ich finde es, eigentlich soll es ja was Selbstverständliches sein, dass wir darüber einfach darüber reden und sagen: so ist es. Bei den Fortbildungen oder wenn ich mit Menschen rede, sage ich auch: es gibt niemanden, der nicht betroffen ist. Also ich mag das auch nicht so dieses: wenn man das trennt „in die Betroffene, in die“. Sondern wir haben halt verschiedene Rollen, wo wir versuchen, den Leuten zu helfen.

29:16:22: Gerlinde: Also ich denke mal, auch so eine tiefe Verzweiflung spüren zu können, ist einfach so etwas zutiefst Menschliches. Das ist etwas, was einfach eigentlich jeden im Leben mal passiert, denke ich. Es heißt jetzt, wenn man einen nahen Angehörigen verliert, einen Todesfall hat in der Familie also quasi äußere Auslöser, aber eben auch wenn das einen gedanklich bisher beschäftigt, also was, was auch immer es ist, was einen irgendwie aus der Bahn wirft, das ist einfach so normal, wenn ich das mal so formulieren kann. Das ist einfach, das gehört dazu, zum Menschsein. Und das macht das Leben ja auch irgendwie dann vielseitig. Wenn es schlechtere Zeiten gibt, dann kann man die besseren noch vielleicht umso mehr wertschätzen und genießen.

30:05:15: Natalia: Also ich glaube, das Zentrale, was wir mitgeben können, ist, dass Krisen zum Leben dazugehören, dass etwas nicht krankheitswertig sein muss, damit ich mir Hilfe hole. Ich kann Sorgen haben, die mich belasten und ich kann mir auch dann Hilfe holen. Ich kann eben Angehörige sein und Hilfe benötigen und sie auch bekommen. Immer dann, wenn wir Unterstützung brauchen, dürfen wir uns an wen wenden. Und damit uns das leichter fällt, führen wir diese Gespräche. Es ist leider noch immer so in unserer Gesellschaft. Es fällt nicht immer leicht. Deswegen finde ich so wunderbar, dass ihr heute hier seid und dass ihr auch eure Erfahrungen teilt. Weil das ist etwas Besonderes. Erfahrungen zu teilen mit anderen gibt anderen Hoffnung und vielleicht auch den Mut, darüber zu sprechen oder Gespräche anzuregen. Vielleicht, liebe Gerlinde, magst du uns erzählen, warum Erfahrungs-Expertise so wichtig ist?

31:04:21: Gerlinde: Ich habe jetzt, während ich dir zugehört, so zwei Worte herausgehört, die mir ganz wichtig waren. Ich muss noch mal rekonstruieren, was das war. Also das eine war Hoffnung. Das ist so ein ganz, ganz zentrales Element in der Genesungsbegleitung. Und das zweite war eben so das war das Wort Krankheitswertig. Ähm, und das ist eben das, was Genesungsbegleitung ganz zentral mit auf den Weg geben will, dass es eben auch sein kann, dass man Zustände erlebt im Leben, wo man sich wirklich krank fühlt, also wirklich psychisch erkrankt, so belastet, dass man sagt okay, das ist jetzt einfach ein massiver Leidensdruck, dass das fühlt sich nicht mehr gesund an, das das ist kein Wohlbefinden so zu leben. Aber auch als solchen Zeiten im Leben kann es Wege heraus geben. Und es gibt diese Wege, man kann sie gehen, man braucht oft halt viel Unterstützung dabei. Ähm, man kanns oft auch viel aus eigener Kraft schaffen oder auch trotz des Umfelds, das vielleicht gar nicht so gut ist oder irgendwie teilweise sozusagen hilflose Helfer sind. Ähm, aber was ganz wichtig ist, es eben ist es gibt diese Möglichkeit und da will ich ganz stark Mut machen. Also einfach auch, dass man jetzt, wenn man eine psychiatrische Diagnose bekommt, und sei sie noch so schwerwiegend, das ist nicht irgendwie quasi so, dass man sagt ja, jetzt ist mein Leben vorbei. Also ich hatte die Zeit, wo ich dachte so, jetzt ist mein Leben vorbei. Aber das Leben ist nicht vorbei solange wir weiter leben und atmen und den nächsten auch noch so kleinen Schritt gehen, weil es lohnt sich einfach dran zu bleiben, weil es kann einem aus dieser ganz schweren Zeit ein Weg raus entstehen, wo man dann wo hinkommt, wo man gar nicht glauben kann, wie schön es wieder ist und wie wir gerne man lebt.

33:01:17: Natalia: Das heißt, es gibt Hoffnung auf Genesung. Ähm, diesen Begriff hört man auch oft aus dem Englischen: recovery. Magst du den vielleicht ganz kurz erläutern, was bedeutet das?

33:14:17: Gerlinde: Ja, gerne. Also Recovery in diesem Sinn bedeutet nicht zwangsläufig die komplette Abwesenheit von Symptomen, zum Beispiel. Es heißt auch nicht, dass man zum Beispiel gar keine Medikamente nimmt und einfach komplett ähm ja, gesund ist, so in dem Sinn ja, sondern einfach so, dass man trotz einer Erkrankung, die man vielleicht hat oder eine Vulnerabilität aus einer größeren Verletzlichkeit psychisch dass es einen schnell aus der Bahn wirft mal aber dass man lernt damit umzugehen. Eben dass wenn Sachen, die einen früher aus der Bahn geworfen haben, mal Belastungen, dass man lernt, dass die einen dann halt eben nicht mehr aus der Bahn werfen, dass man dann eben Hilfe findet für sich selber. Ähm, so quasi selber sich einen Vorrat anlegt mit was kann ich tun, damit es mir besser geht und was kann ich mir von außen holen? Dass mir geholfen wird? Dass man eben nicht mehr komplett die Kontrolle über sein Leben verliert, sondern Krisen meistern kann und dann wächst daran letztendlich.

34:10:12: Alexandra: Sehr, sehr schön. Wir haben jetzt schon gehört, psychische Erkrankungen betreffen alle, Ardjana, du hast das vorhin schon gesagt, so ziemlich alle. Die können uns auch in allen Altersstufen betreffen. Wir haben bei dir Gelinde gehört. Das war relativ jung mit elf Jahren. Das gibt es aber bis ins Alter hinein. Mit einem neuen Angebot habe ich gehört, Ardjana, wendet ihr euch jetzt ganz spezifisch an junge Menschen? Kannst du da kurz was dazu sagen?

34:37:21: Ardjana: Gerne, genau, das hat jetzt schon am 1. Juli sagen wir mal so ein bisschen im Probebetrieb gestartet. Das ist das FLS. Der PSD liebt Kürzel. Also der First Level Support bedeutet die Nummer 31 330 wurde jetzt am 1. Juli jetzt einmal probeweise Montag bis Freitag von 08:00 bis 20:00 für Kinder, Jugendliche und deren Bezugssystem geöffnet. Es ist anonym, kostenlos und vertraulich. Das ist das Allerwichtigste und es ist unmittelbar. Da sieht man was das wirklich schöne ist, und das haben wir, glaub ich heute ein paar Mal aus verschiedenen Aspekten gehört: ist dieses sofort verfügbare, weil in der Krise die Krise kommt nicht angekündigt, nicht geplant, sie überrollt uns. Und da ist es umso wichtiger, dass ich dann irgendwie eine Stelle habe, wo ich sage okay, da kann ich jetzt mal anrufen und da kann ich hinschreiben und vielleicht, ja, vielleicht kriege ich da die Hilfe, die mir jetzt gerade hilft. Und im Auswahlverfahren, das heißt, wenn ich jetzt die Nummer seit 1. Juli Anruf kommt, nettes Tonband und da können die Leute auf die eins drücken, wenn es um Kinder Jugendliche geht. Und wenn nicht, dann bleiben sie drinnen. Und da sitzen jetzt auch die drei Berufsgruppen, die ich vorher erwähnt habe und versuchen da quasi entweder direkt die Beratung anzubieten oder mit den Angehörigen. Oder es hat auch vom Jugendamt jemand sich bei uns gemeldet. Es gab auch schon persönliche Beratung. Einfach da jetzt mal abzuklären, aufzufangen und weiterzuleiten.

36:03:17: Natalia: Du hast gesagt, es ist sehr unmittelbar und da wollte ich noch ganz kurz anschließen mit einem persönlichen Gespräch, das ich und die Alexandra: letztens geführt haben, nämlich so einen Tipp mitgeben: diese Nummern kann man sich einspeichern. Diese Nummern kann man sich ins Handy als Notrufnummern abspeichern. In einer Krise habe ich vielleicht nicht gerade die Zeit und Energie gleich zu googeln und weiß dann wieder nicht wo wohin. Also ein sehr guter Tipp, den mir die Alexandra: auch mitgegeben hat. Letztens einfach die Nummer ins Handy eins speichern und für den Notfall parat haben, um dann dieses unmittelbare Angebot auch nutzen zu können.

36:41:11: Ardjana: Ganz wichtig, ganz ein wichtiger Tipp. Und wir können ja dann, wenn die Krise doch zu groß ist, als dass wir sie bewältigen könnten, die dann auch das System quasi das Weitere aktivieren.

36:50:22: Natalia: Ganz genau. Also wichtig zu wissen, ihr müsst nicht alles wissen. Es gibt Menschen, die euch unterstützen können.

36:57:18: Ardjana: Anonym und vertraulich.

36:58:24: Natalia: Anonym und vertraulich. Ganz genau. Wir haben jetzt heute ganz, ganz viel über Hilfsangebote gesprochen. Wir haben es sozusagen ein bisschen beleuchtet ab wann darf ich mir Hilfe holen? Was ist eine Sorge? Was ist eine Krise? Was kann mich alles auf diesem Weg unterstützen? Und wie kann Genesung ausschauen? Wir haben darüber geredet, wieso es so wichtig ist, dass wir diese Gespräche hier führen. Und das möchten wir euch natürlich alles mitgeben. Wir möchten euch Mut mitgeben und Hoffnung auf Verbesserung. Vielleicht noch an unsere Expertinnen: Gibt es von euch irgendwelche Tipps, die jungen Menschen mitgeben könnt, wenn sie sich gerade vielleicht überlegen, diesen ersten Schritt zu gehen und irgendwo anzurufen oder irgendein Gespräch zu führen?

37:47:00: Gerlinde: Ja, also mir würde zu spontan einfallen, wenn ihr jemanden im Freundeskreis habt oder auch in der Familie, holt euch Verbündete, weil es kann oft sehr hilfreich sein, jemanden neben sich sitzen zu haben, der einen bekräftigt und unterstützt, dass man das jetzt auch wirklich macht. Erstens und zweitens aber auch wenn, was dann vielleicht nicht so rund laufen sollte, dann ist jemand dabei, der euch auch da helfen kann. Also wenn jetzt zum Beispiel, kann schon mal sein, dass man zum Beispiel so anruft und die Person am Telefon ist halt auch nur ein Mensch und ist vielleicht gerade überlastet und ist vielleicht nicht gleich so super hilfreich, wie man sich gewünscht hätte. Aber da lohnt es sich halt auch dran zu bleiben. Also gebt auch quasi dem System noch mal eine Chance ist mein Anliegen an euch. Weil es sind auch „ nur“ Menschen dahinter und es dauert halt auch manchmal, genau wie bei Psychotherapie, man muss einfach manchmal ein paar Anläufe machen, bis man die Person findet, die dann passt für einen und die dann die Hilfe bieten kann, die man braucht. Aber dranbleiben, dass man sich Hilfe holt, auch wenn das wirklich gerade in einer Krise so viel Kraft kostet, dass es das lohnt sich einfach. Also ähm, es gibt einfach, es gibt Hilfe. Es gibt wirklich richtig gute Hilfe. Man muss nur manchmal ein bisschen danach suchen.

39:12:09: Ardjana Also ich ergänze das: Ihr seid nicht allein. Ganz wichtig. Es gibt Menschen, ähm, vor allem auch bei den psychosozialen Diensten Wien eben. Wie ihr seht, in verschiedensten Möglichkeiten, nicht nur telefonisch, die für euch da sind und die wirklich sich bemühen. Aber eben je nachdem, wie es halt gerade passt oder nicht passt, euch da zu begleiten. Also seht das einfach als tolle Begleitung und traut euch.

39:37:14: Alexandra: Ich danke Euch ganz, ganz herzlich für Eure Tipps, für euren Input und vor allem für eure Offenheit. Danke, dass ihr der Einladung gefolgt seid und heute bei uns im Podcast wart.

39:55:01: Natalia: Vielen lieben Dank auch von mir.

39:56:00: Alexandra: Es rauscht weiter, hör in die nächste Folge rein und besuch uns gerne auf Instagram. @_rauschzeit_ oder @darüberredenwir. Reden hilft. In Wien ist die Sorgenhotline Wien für jede Art von Sorgen zwischen 08:00 und 20:00 erreichbar, notier dir die Nummer 01 4000 53000.

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