Handysucht, abhängig vom Scrollen, rauschig von Likes – Gibt es das?

Shownotes

Gibt es eine Handysucht überhaupt? Gemeinsam mit der Psychotherapeutin Mag.a Julia Dier schauen wir uns an, wovon man online abhängig werden kann, wie es rund um Bildschirmzeiten steht und welche Chancen und Risiken digitale Medien mit sich bringen. Wir wollen nicht nur wissen, ob uns das Handy krank machen kann, sondern auch wie es gesund genutzt werden kann. Ab wann bin ich zu viel am Handy? Was tut mir online gut und was weniger gut? Und was ist eigentlich Medienkompetenz?

Links zur Folge:
Institut für Suchtprävention https://sdw.wien/angebot/praevention
Saferinternet https://www.saferinternet.at/

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Psychische Gesundheit ist wichtig. Darüber zu reden auch. Wenn es dir nicht gut geht, zögere nicht, dir Hilfe zu holen.

Reden hilft: In Wien ist die Sorgenhotline Wien für jede Art von Sorgen zwischen 8 und 20 Uhr erreichbar: 01/4000-53000. Im Krisen- und Notfall steht der Sozialpsychiatrische Notdienst (SND) in Wien rund um die Uhr unter der Rufnummer 01/31330 zur Verfügung.


Produktion und Redaktion: Sucht- und Drogenkoordination Wien
Jingle und Musik: Alfred Peherstorfer

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00:00:01: Alexandra: Hallo. Es ist wieder so weit Rauschzeit. Wir sprechen offen über Substanzen, Konsum und psychische Gesundheit. Gemeinsam mit Menschen, die sich auskennen. Wir wollen uns informieren und Vorurteile abbauen. Und wir sind uns sicher, dass wir damit nicht alleine sind.

00:00:20: Natalia: und mit mir Natalia.

00:00:23: Alexandra: Wir sprechen heute auch über Themen, die von manchen Menschen als belastend empfunden werden. Mehr Infos zu dieser Folge findest du in den Shownotes. Wenn du dir unsicher bist, höre sie ein anderes Mal oder nicht alleine.

00:00:40: Alexandra: Natalia, leg mal dein Handy weg.

00:00:43: Natalia: Ich habe tatsächlich zwei Handys von mir. Das ist ganz ungewohnt für mich, die jetzt wegzulegen. Ich stelle sie mal auf Flugmodus.

00:00:49: Alexandra: Das wäre super. Während der Podcastaufnahme wäre es wirklich blöd, wenn das Handy läutet.

00:00:54: Natalia: Ich glaube tatsächlich, dass ich nach dieser Stunde gleich den Drang verspüre, sowohl auf mein privates Handy als auch auf mein Arbeitshandy zu schauen.

00:01:01: Alexandra: Ich bin mir sicher, mir geht’s gleich. Weils uns allen oft ein bisschen so geht, haben wir auch eine Expertin eingeladen. Das ist Julia Dier, Psychotherapeutin, mit der wir gemeinsam über unsere Mediennutzung reden wollen. Wir wollen etwas übers Handy reden. Wir wollen über verschiedene Mythen reden, die so rund um die Nutzung von Handy und Medien bestehen. Und ja, liebe Julia, schön, dass du da bist.

00:01:26: Julia: Danke für die Einladung.

00:01:27: Alexandra: Magst du uns kurz erzählen, wer du bist.

00:01:29: Julia: Ja, du hast mich eh schon gut kurz eingeleitet. Ich beschäftige mich schon seit einigen Jahren mit diesem Thema. Mediennutzung einerseits therapeutisches psychotherapeutisch im Rahmen der Sigmund Freud Privatuniversität, aber auch mit einem neu gegründeten Verein Ergon, der beschäftigt sich auch mit der Mediennutzung, mit der Mediensucht. Außerdem bin ich bei Saferinternet als Referentin tätig, wo ich immer wieder in den Klassen drinnen bin, mit Kindern und Jugendlichen red – Was beschäftigt Sie gerade so, also Stichwort Medienkompetenz. Was sind gerade die News, was kann man machen, wo müssen wir aufpassen? Ja, das ist mein täglich Brot.

00:02:14: Alexandra: Du beschäftigst dich also mit Mediennutzung und machst Workshops zu Medienkompetenz? Darf ich dich mal ganz blöd fragen: Welche Medien sind jetzt damit gemeint?

00:02:22: Julia: Ja, das ist eine gute Frage, weil wir immer von den Medien reden und auch von der Mediensucht. Aber in Wirklichkeit heißt es ganz vieles. Vorrangig würde ich sagen, sind eben Handy, Computer, Laptop, die Konsolen bei den Jüngeren auch ganz stark. Kann aber auch das klassische Fernsehen sein, oder Streaming. Medien sind im Prinzip auch Zeitungen und Printmedien. Wobei uns das jetzt hier nicht so häufig begegnet in der Beratung, aber das fällt im Prinzip auch darunter.

00:02:56: Natalia: Du hast jetzt als ein Beispiel von Medien das Handy auch genannt. Für mich ist es tatsächlich ganz normal und natürlich, dass ich irgendwie, seit ich elf bin, ein Handy bei mir habe. Ich bin mit Social Media aufgewachsen und das gehört einfach zu meinem Leben dazu. Jetzt interessiert mich aber macht, oder kann das Handy tatsächlich krank machen?

00:03:23: Julia: Ja, das Handy kann schon krank machen. Das Handy kann aber uns auch nur Vorteile bringen. Das kommt ganz darauf an, wie wir es nutzen. Also die Dosis macht das Gift, wie man ja generell im Umgang mit der Sucht oft hört. Das trifft hier genauso zu.

00:03:42: Alexandra: Zum Thema "Dosis" bzw Zeit. Ich arbeite Vollzeit, 40 Stunden, und das heißt ich sitze in der Arbeit manchmal acht Stunden am Bildschirm. Jetzt gibt's Arbeitnehmer*innenschutz, da gibt's Bildschirm-Pausen ... Aber trotzdem ist es so, dass ich dann schlussendlich das Handy neben mir liegen hab, bin erreichbar, sitzt am PC ... und manchmal, wechsle ich vielleicht auf ein Tablet oder auf einen Laptop, aber prinzipiell ist es Bildschirmzeit. Was ist jetzt der Unterschied zwischen der Bildschirmzeit in der Arbeit, wo ich acht Stunden sitzte, oder ob ich am Wochenende mit Freund*innen am Gamen bin, acht Stunden, und vorm Bildschirm sitze?

00:04:22: Julia: Naja, deinem Körper ist es prinzipiell relativ egal, weil du sitzt den ganzen Tag, ob du jetzt was Sinnvolles machst oder was nicht so Sinnvolles - wenn man das so betrachten will - ist in dem Fall gar nicht so wichtig. Es ist wichtig, dass du dich bewegst, dass du eben auf deinen Körper hörst. Das ist die eine Seite. Das andere ist auch die psychische Komponente. Also: Arbeiten musst du. Du wirst das nicht auf Papier machen können, das spielt es einfach heutzutage nimmer. Aber wenn du dann deine restliche Freizeit auch noch vor den Medien verbringen würdest, dann wäre das eben nicht so ideal. Sagen wir mal. Also das kann man sich jetzt schon denken und eben weil wir ja Menschen sind und wir brauchen Bewegung, wir brauchen unsere sehr vielen Schritte, wär es jetzt sowieso mal gut, wenn wir was machen, was nicht mit dem Handy oder mit dem PC in Verbindung steht, wenn wir vielleicht doch Leute treffen in echt. Wir können natürlich auch telefonieren, aber es wäre einfach gut, dann noch Alternativen zu haben. Gerade wenn man so einen Job hat. Und den haben heutzutage viele Menschen und werden auch noch mehr Menschen haben, wo man eh den ganzen Tag nur sitzt und sich eigentlich auch konzentrieren muss.

00:05:37: Natalia: Macht es tatsächlich Sinn dann im Privaten meine Bildschirmzeit einzugrenzen?

00:05:42: Julia: Ja, das finde ich schon, dass das Sinn macht.

00:05:45: Alexandra: Wenn wir schon beim Thema Bildschirmzeit sind, kann ich dann da eine Zahl geben? Kann ich sagen, zwei Stunden am Tag sind okay, vier Stunden am Tage sind schon ein Problem?

00:05:53: Julia: Das ist eine Frage, die kommt ja immer. Und ich muss zugeben, ich hasse sie. Ich komme aber nicht drumherum. Also ich habe auch in Abstimmung mit Kollegen, vieles zusammengetragen, und bin jetzt, vor allem auf so Elternabenden, habe ich einfach Referenzen zusammen getragen – Wobei jetzt, wenn wir jetzt von ja 16 plus sprechen, das sind wir dann schon auch im Erwachsenenbereich. Also das ist ein Alter, wo ich einfach selbstständig schon in der Lage sein sollte, mir meine Nutzungszeit einzuteilen oder mir Gedanken darüber zu machen. Realistischerweise liegt diese Zeit bei vier Stunden plus. Ich habe auch bevor ich hergekommen bin, selber nachgeschaut und da kann man immer ganz viel reden und dann selbst gar nicht einhalten: Also meine eigene Handy-Nutzungszeit liegt im Schnitt auch bei dreieinhalb Stunden und ich mache eigentlich fast nichts auf meinem Handy, tatsächlich, aber zum Beispiel skype ich manchmal mit Patienten, oder ich schreibe dann kurz Mails und das läppert sich dann. Oder eben auch telefonieren, wenn mich jemand anruft.

00:07:04: Natalia: Du hast uns jetzt eben deine persönliche Nutzungszeit irgendwie preisgegeben. Und wie ist das eigentlich? Gibt es da irgendwie einen Unterschied? Gibt es ein Zuviel an Nutzungszeiten oder einen vielleicht auch problematischen Konsum? Ist das ein Thema, das eher Jugendliche betrifft? Oder gibt es das auch bei Erwachsenen? Gibt es da irgendwie so einen Generationenunterschied?

00:07:27: Julia: Die Jugendlichen und jungen Menschen stehen da gerade medial sehr im Vordergrund, was diese Bildschirm Nutzungszeit betrifft. Wobei ich persönlich finde, dass sich auch die ein bisschen Älteren, da rede ich jetzt von Leuten so bis Ende 50, 60 auch ziemlich massiv falsch einschätzen. Also die glauben, sie sind sehr wenig am Handy vor allem, sind es aber überhaupt nicht. Das hat sich bis jetzt noch jedes Mal bestätigt wenn ich in ihrem Handy nachgeschaut habe, nach der Nutzungzeit. Sie haben sich also völlig falsch eingeschätzt. Bei den Jugendlichen ist es halt so, dass man da gesellschaftlich auch mehr unter Druck ist, gewisse Apps zu haben, gewisse Dinge zu nutzen. Das ist bei den Älteren jetzt weniger der Fall, aber die schicken sich dann oft über WhatsApp irgendwelche Videos oder irgendwelche Memes. Das schaut halt da anders aus. Oder über Facebook scrollen, einfach irgendwas durch, wo es auch um nix geht eigentlich. Aber im Fokus sind doch die jüngeren Leute.

00:08:30: Natalia: Gibt es auch vielleicht einen Zusammenhang so zwischen der Pubertät? Also ist es vielleicht doch in der Pubertät, sozusagen unter Anführungszeichen “normal”, dass ich jetzt mehr mich mit dem Handy oder mit dem Internet beschäftige, weil ich dort ja auch sehr viele soziale Kontakte knüpfen kann? Vielleicht auch erste Dating Erfahrungen machen kann? Ist es in dem Alter vielleicht auch normal und gesund, dass ich digitale Medien verwende?

00:08:57: Julia: Ja, die digitalen Medien haben gerade für die Jugendlichen eine total positive Seite an und für sich. Also es geht ja darum, sich neu auszuprobieren. Ich kann ganz viel machen, ich kann mit meiner Identität spielen, ich kann mich verschieden darstellen auf den sozialen Medien. Ich kann auch Spiele spielen, wo ich verschiedene Charaktere ausprobiere, wo ich mein Aussehen verändern kann. Natürlich, es gibt ja auch Phasen im Leben, da will man ganz natürlich jetzt, ist auch normal, sich nicht mit den Eltern abgeben. Da kann man sich auch mehr in die Medien zurückziehen, was bis zu einem gewissen Punkt jetzt auch gar nichts Tragisches ist.

00:09:39: Alexandra: Es klingt jetzt ein bisschen, als wäre ich uralt, wenn ich so was sage, aber als ich in der Schule war, musste ich Erörterungen schreiben, ob das Handy jetzt was Gutes ist oder was Schlechtes ist. Da wurde dann darüber geschrieben, wie wichtig das Handy ist, um Kontakt zu halten. Also man kann Familie, die beispielsweise in einem anderen Bundesland wohnt, die kann man jederzeit erreichen. Das ist jetzt natürlich ganz was anderes, was jetzt eher der Punkt ist als dieses Kontakt halten beim Handy ist ständige Erreichbarkeit und ständige Erreichbarkeit ist so ein Schlagwort, wenn es um Mediennutzung geht, besonders bei der Handynutzung. Es ist aber auch Prokrastination und Langeweile etwas, das ich höre, auch FOMO, also “fear of missing out” sind so Begriffe. Wie hilfreich sind denn diese Begriffe? Kommen die bei dir in deinen Beratungen auf?

00:10:20: Julia: Es ist unterschiedlich. Es gibt Personen, die schauen ganz viel auf den sozialen Medien, was, ja, psychische Erkrankungen betrifft, die sind in diesen Filterbubbles drinnen, sozusagen. Und wenn man da drinnen ist, da kommen viele Begriffe, die kommen teilweise mit Begriffen daher, die habe ich noch nie gehört und muss ich dann selber nachschauen.

00:10:46: Alexandra: Darf ich dich fragen, “Filterbubble”? Was meinst du damit?

00:10:49: Julia: Die Filterbubble, das ist ... – diese ganzen Apps, die haben ja die Algorithmen – ich versuch das möglichst einfach zu erklären, so, wie man mir das auch in einfacher Sprache erklärt hat – und wenn ich jetzt immer nur nach Katzen suche, dann werden mir irgendwann nur mehr Katzen angezeigt und irgendwelche Dinge, die mit Katzen zu tun haben. Mir werden dann aber wahrscheinlich keine Luftmatratzen angezeigt, weil damit habe ich gar nichts zu tun. Das klingt jetzt alles nicht tragisch, wenn es um Katzen geht. Wenn es aber darum geht, dass wir lauter Ukraine-Krieg-Videos schaue, dann ist das schon ein Problem. Vor allem, wenn wir noch sehr klein sind. Und das war zum Beispiel ein Problem, das mir sehr häufig begegnet ist, als dieser Konflikt aufgekommen ist. Die Kleinen, also in der Volksschule, haben sie auch TikTok teilweise schon oder dann halt Unterstufe, haben diese Videos gesehen, haben draufklickt, haben aufs nächste Video draufklickt und haben sich da, waren da quasi gefangen in dieser Filterblase, haben sich total gefurchten auch und sind nicht mehr rausgekommen, wussten auch nicht, was kann man jetzt tun? Und da war es dann eben wichtig, Aufklärung zu leisten, dass man sagt: Jetzt suche ganz gezielt nach anderen Dingen, die du gerne magst. Es können jetzt Katzen sein, das können Luftmatratzen sein, es kann irgendwas sein – Fußball. Hauptsache wir kommen von diesem Thema weg.

00:12:17: Alexandra: Ich find das ganz spannend. Ich hab während der Pandemie, Ausnahmesituation, zum einen angefangen zu gamen mit Freund*innen – also vielleicht ein anderes Thema für diese Folge – aber was ich eben auch angefangen habe in der Pandemie, ist immer wieder aufs Handy zu schauen und hab dann wirklich immer wieder so ein bisschen die Nachrichten verfolgt und geschaut und gescrollt und hab dann irgendwann den Begriff “Doom Scrolling” gehört. Und als ich dann diesen Begriff gehört habe, habe ich verstanden, was ich da mache. Das hat mir dann sehr gut geholfen zu verstehen, was ich mache und damit das Handy auch wegzulegen. Sozusagen: Das tut mir nicht gut. Kann dieses “Warum mache ich etwas” helfen? Macht es Sinn, danach zu fragen?

00:12:59: Julia: Ja, im Fall von “Doom Scrolling” ist es schon so, also “Doom Scrolling” ist im Prinzip, wenn man halt ganz viel schaut und da gibt es ganz viel Negativität. Man hat es auch getestet, wie sich das auswirkt, dieses viele Scrollen von negativen Nachrichten. Und das kann wirklich auch dazu beitragen, dass Leute eher dann einen schlechteren Tag haben. Das schürt natürlich auch Ängste, wenn wir nur das Negative lesen und nicht “in Schönbrunn ist wieder irgendein Tier Baby auf die Welt gekommen”. Das ist, finde ich, schon ein bisschen ein gesellschaftliches Problem, weil einerseits, das stresst die Leute sehr – viele Leute sind ohnehin schon psychisch ein bissl belastet – dann kommt diese ganze Negativität und entweder drehen sie es ab und schauen es nicht, dann kommt aber oft so dieser Vorwurf “Na, du hast ja keine Allgemeinbildung, du weißt ja nicht, was los ist in der Welt.” das ist ja auch ganz furchtbar. Also man ist dann irgendwie dazwischen gefangen “Habe ich Allgemeinbildung, weiß ich, was gerade los ist in der Welt” oder “schütze ich mich selbst vor dieser Negativität?”

00:14:04: Natalia: Also wir haben jetzt eigentlich ganz viel über Inhalte sozusagen gesprochen, also das, was ich sehe, zum Beispiel im Internet oder Social Media oder wie viel ich auch davon sehe, zum Beispiel von negativen Nachrichten, kann sozusagen auf meine psychische Gesundheit einfach eine Wirkung haben. Und dass es da vielleicht sinnvoll ist, sich auch zu fragen was machen denn die Inhalte mit mir, die ich sehe? Was gibt es aber noch für andere Gründe, wieso ich vielleicht bestimmte Apps nutze Und sollte ich die hinterfragen? Also wir haben jetzt ganz kurz “fear of missing out” gehabt. Ja, ich kenne das schon auch von mir von Instagram, dass das schon auch so eine Umgebung ist, wo man sich gerne mit anderen vergleicht. Man sieht so die heile Welt und auch diese “fear of missing out” durch Instagram, bei mir manchmal verstärkt wird, weil ich die ganze Zeit sehe, was die anderen machen und was ich nicht alles verpasse. Wind das tatsächlich Gründe, die irgendwie bei Jugendlichen oder in deinen Beratungen vorkommen? Oder gibt es andere was? Was sind so Motive?

00:15:09: Julia: Ja, oft kommt mir vor, gerade die Jüngeren, die folgen jemanden, weil andere Leute ihnen auch folgen. Also wenn wir uns jetzt zurückversetzen, bei uns ist es jetzt ein bisschen anders üblicherweise. Aber die, die Kinder sind ja in der Schule und das sind sie in einer Zwangsgemeinschaft, der sie nur schwer entfliehen können. Also sie sehen diese Leute in ihrem Klassenraum jeden Tag ganz viele Stunden – das ist wie bei Arbeitskollegen, nur noch extremer. Und wenn die jetzt alle über irgendeinen Influencer reden und man kennt die nicht, dann ist man halt irgendwie ausgeschlossen. Und so folgen die dann Leuten, die sie vielleicht gar nicht so interessieren. Und so entsteht das dann irgendwie. Da bin ich jetzt bei den Jüngeren. Was ist ganz natürliches für uns ist unabhängig vom Alter, das ist dieser sogenannte “Aufwärtsvergleich”, von dem du gesprochen hast. Das heißt, wir vergleichen uns viel, aber eigentlich immer nur mit den Leuten, die was besser können, die entweder schöner sind, erfolgreicher sind, reicher sind oder einfach besser. Und das macht es natürlich schwierig. Und die zeigen, was viele leider immer noch nicht wissen und das ist mir immer ein großes Anliegen in meinen Workshops und Vorträgen, dass ja diese ganze Welt total gestellt ist. Das ist ja eine Scheinwelt. Manche sind schon sehr offen. Das sieht man aber auch gleich als Erwachsener und viele, die inszenieren das halt extrem. Alles ist immer super, super rosig, sie sind nur happy und man glaubt halt dann, das ist normal und wieso hat man selber nicht so ein Leben und das führt zu einem enormen Frust. Die sehen natürlich auch immer super gut aus. Sie stehen auf und sind geschminkt und was weiß ich was. Also man fragt sich, wie die geschlafen haben. Ich schaue ganz anders aus in der Früh und die Kinder verstehen das aber nicht. Und wenn man die nicht aufklärt, dann bleibt ja dieses Gedankengut, bis sie irgendwann erwachsen sind und dann sind sie erwachsen und glauben ja, so schauen die Leute aus. Oder: Ich gehe da auch immer ganz gerne weiter so, Stichwort Pornografie. Ist ja einfach was, was uns mit der Mediensucht oder bei den Mediensüchtigen sehr häufig begegnet am Rande. Und auch so diese Vorstellung von Sexualität, wenn man wirklich mal mit den jüngeren Jugendlichen redet, ist manchmal auch erschreckend. Also da fehlt ein bissel die Info. Einerseits wie man Sex praktizieren kann, andererseits auch was das Körperbild betrifft. Also manche glauben wirklich diese diese Darsteller oder Darstellerinnen haben vielleicht eine Operation gehabt und sonst schauen die so aus. Also überhaupt kein Bewusstsein für Realität zum Teil vorhanden.

00:18:11: Alexandra: Das heißt, wir haben jetzt zum einen darüber geredet, dass die negativen Nachrichten belsatend sein können, aber dass auch diese überhöht positive Darstellung von dem Leben von einer Influencer*in, von Darsteller*innen, dass das auch belastend sein kann.

00:18:26: Julia: Ja auf mehreren Ebenen, also je nach Person kann das unterschiedlich belastend sein, dass ich glaube, ich kriege überhaupt nicht so gut hin, egal was ich mache. Aber ganz oft ist es so, das hat früher mehr die Mädels betroffen, jetzt immer noch. Aber die Burschen holen das sehr auf mit diesen Körperwahrnehmungsstörungen. Und da gab es jetzt bei Saferinternet wieder eine neue Untersuchung von dem wir auch mitbekommen, dass 28 % der, ich glaube es waren die elf bis 14-jährigen, schon über eine Schönheitsoperation nachgedacht haben. Was eigentlich total erschreckend ist in dem Alter, weil einem das schon so mitgegeben wird. Und sie drehen einem ja auch schon die Anti-Aging-Cremen an mit unter 20 und das ist aber auch die Welt, in der wir grad leben, wo es wichtig ist, dass wir gerade den Jüngeren sagen: Hey, hinterfragt das mal, für was brauchst du eine Anti-Aging-Creme?

00:19:32: Alexandra: Ist das dann diese Medienkompetenz von dir, von deinen Workshops?

00:19:35: Julia: Ja das fällt in Medienkompetenz hinein. Da fällt vieles hinein. Da fällt der Umgang mit Fake News hinein, das ist in den sozialen Medien natürlich ein riesen Thema, gerade auch mit den künstlichen Intelligenzen, was sich da gerade tut.

00:19:50: Natalia: Das heißt, wenn ich das richtig verstanden habe Medienkompetenz beschäftigt sich eigentlich mit allen möglichen Anwendungen im Internet und wie ich damit umgehen kann, wie ich Inhalte vielleicht erkennen kann, zum Beispiel KI. Großes Thema, aber auch, wie ich wahrscheinlich Anwendungen sicher nutzen kann. Was sind dann noch für Themen?

00:20:12: Julia: Ja das ist ein riesiges Feld und ich finde es immer so lustig, weil wir reden ja von Medienkompetenz und jetzt geht die Schule wieder los und ich werde dann in zwei Wochen wieder meine ersten Workshops haben. Und gerade am Schulanfang denke ich mir manchmal, ich habe auch keine Ahnung von diesen ganzen Sachen, weil sich nämlich innerhalb von diesen zwei Monaten so viel tut und ich versuche immer dran zu bleiben. Aber es ist ein Wahnsinn. Also man muss wirklich so uptodate sein und sich immer weiterbilden, weil das entwickelt sich so rasend schnell.

00:20:44: Natalia: Vielleicht ganz kurz für unsere Zuhörer*innen: Informieren zu diesen Themen kann man sich ja auf eurer Seite Saferinternet

00:20:52: Julia: Saferinternet hat wirklich ganz eine tolle Seite. Super viele gratis Materialien, die kann man sich auch bestellen, das wird auch kostenlos geschickt. Das ist für Schüler, also Kinder, Schüler, Jugendliche, Eltern, Pädagogen. Dann gibt es auch noch Clicksafe. Das ist eine deutsche Seite – wir kooperieren auch – die sind auch sehr gut. Da gibt es viele Videos. Wichtig ist, dass man sich halt interessiert für das, was die Freunde machen oder was die Kinder machen. Je nachdem, wenn man merkt, die haben ein Problem. Weil es ist oft so, wenn jemand dann wirklich abrutscht in ein Suchtverhalten oder zumindest in einem hochproblematischen Verhalten, dann ist es oft schwierig mit der Person über irgendwas anderes zu reden. Also man muss sich ein bissel auskennen in diesem Spiel oder in dieser App oder was auch immer, damit man überhaupt ins Gespräch kommt. Und das ist immer wieder eine Challenge, auch für mich, weil ich habe ja die Leute dann bei mir sitzen und man glaubt und man kennt alles und man kennt gar nix. Es gibt wirklich Milliarden von Spielen und was weiß ich was.

00:22:05: Alexandra: Also das heißt, es gibt sehr viel, aber Medienkompetenz kann man lernen!

00:22:10: Natalia: Liebe Julia, du hast jetzt schon öfter heute bei den unterschiedlichsten Themen, ob das das Handy war oder auch der Computer, war schon noch ein bisschen von Sucht gesprochen oder von Mediensucht gesprochen auch. Wir reden ja in Rauschzeit, in unserem Podcast eigentlich immer über Substanzen, Substanzkonsum. Heute reden wir plötzlich über das Handy, über den Computer oder das Tablet. Das sind ja eigentlich Verhaltensweisen. Kann man von Verhalten süchtig werden? Was ist denn eine Verhaltenssucht?

00:22:45: Julia: Das Gute ist, wenn man sich dann schon ein paar Folgen angehört hat von euch: Es ist ganz was ähnliches. Also tatsächlich gibt es jetzt so auf den ersten Blick nicht so viele große Unterschiede. Also diese klassischen Symptome, die sind sehr ähnlich. Der Kontrollverlust steht natürlich genauso im Vordergrund wie bei den anderen Suchtformen die Toleranzdntwicklung. Die Leute ziehen sich sehr stark zurück. Das steht noch mal mehr im Vordergrund bei der Mediensucht als bei anderen Suchtformen. Also wirklich ein starker sozialer Rückzug.

00:23:23: Natalia: Und du hast ja schon ein paar sozusagen Symptome angesprochen. Ja, ganz oft fällt ja auch sozusagen der Begriff Leidensdruck – wenn ich acht Stunden pro Tag am Computer sitze aber keinen Leidensdruck empfinde, ist das dann schon krankheitswertig, oder ab wann erkenne ich das an mir, dass ich tatsächlich zu viel Zeit mit diesen Medien verbringe?

00:23:50: Julia: Ja, der Leidensdruck ist wirklich ein guter Punkt, weil die Jugendlichen haben eigentlich selten Leidensdruck. Also wirklich, das ist ein Gefühl, das haben sie noch nie gespürt, wenn sie bei uns landen. Die Eltern haben aber schon einen riesigen Leidensdruck. Üblicherweise kommt der ja irgendwann mit der Zeit mit der Suchterkrankung. Manchmal kommt der auch bei den Jugendlichen, aber der äußert sich dann eher ein bisschen anders. Zum Beispiel “Sie bleiben sitzen in der Schule” und dann gibt es daheim Schwierigkeiten. Das ist ihr Leidensdruck, aber nicht der, dass sie nicht wegkommen vom Handy, das würde ihnen gar nicht einfallen, sondern das ist ja das, was sie die ganze Zeit machen. Der Leidensdruck ist auch eher da, wenn man ihnen das Handy wegnimmt oder das Internet abstellt. Da ist so ein bisschen die Frage “Wie tut man da?” Woll man es ihnen Wegnehmen? Soll man es ihnen nicht wegnehmen? Ich bin jetzt eher nicht für komplett wegnehmen. Also am Abend, da kann man es, wenn die Kinder noch klein sind, wegnehmen. Aber später sagt vielleicht jeder im Haus “Okay, ich lege mein Handy weg” – alle gesammelt wohin, dass nicht nur immer das Kind oder der Jugendliche das machen muss, sondern jeder in der Familie hat da die gleichen Regeln dann wird es auch einfacher, dass man mitmacht, so dass die Kinder mitmachen und die Vorbildwirkung ist natürlich auch gegeben.

00:25:15: Alexandra: Sind wir jetzt eigentlich alle Mediensüchtig und -abhängig?

00:25:20: Julia: Das ist eine gute Frage. Es ist ja ein wichtiger Punkt, diese gedankliche Beschäftigung, also auch die, das kenne ich jetzt gerade von den jüngeren Kindern, die sind schlimm. Quasi sagen sie Ja, ich war schlimm,weiß, jetzt hat man die Mama das Handy weggenommen, die haben dann eine Woche kein Handy, sind aber gedanklich eigentlich nur bei ihrem Handy. Also wurscht, was sie machen. Sie denken sich, wer postet jetzt grad was in die WhatsApp Gruppe? Also Schlagwort: Fear of Missing Ort, Angst etwas zu verpassen in dieser Gruppe. Oder was können sie verpassen? Oder wie viele Münzen, Währungen, was auch immer in einem Spiel verpassen Sie jetzt in dieser Woche? Wie viele Turniere, wie viele Rewards oder was weiß ich was, was man alles gewinnen kann? Und das ist eigentlich, das finde ich, das größere Problem, wenn einen das so beschäftigt, als dass man wirklich aktiv die die Apps nutzt oder die Spiele.

00:26:16: Natalia: Das heißt, diese gedankliche Beschäftigung, wenn ich mein Handy, meinen Computer weglege und trotzdem die ganze Zeit daran denke, das könnte auch so ein Zeichen sein für ein suchtartiges Verhalten. Wir haben jetzt viel eben über einerseits Inhalte, also einerseits Inhalte im Internet gesprochen, die sich vielleicht negativ auf mich auswirken können und auch eben über Mediensucht, also Anzeichen, wie ich das bisschen erkennen kann bei mir. Ich würde jetzt die Gegenfrage gerne noch stellen Und zwar gibt es einen guten Medienkonsum und wie würde der ausschauen?

00:26:58: Julia: Wie ein guter Medienkonsum ist glaube ich ein halbwegs regulierter, wenn man immer wieder drauf schaut, Das ist ja kein Problem, wenn...- man will ja oft auch was wissen, weiß ich nicht. Man liest jetzt was, zum Beispiel in der Straßenbahn irgendeine Werbung und denkt sich: Cooles Restaurant, da will ich auch hin und dann schaue ich da nach. Also dafür ist es ja auch super, oder ich würde wahrscheinlich immer noch irgendwo in Wien herumirren, wenn ich nicht mit Google Maps hergekommen wäre. Ich kann telefonieren. Ich habe selber eine Zeit im Ausland gelebt und bleibe mit den Leuten in Kontakt über die sozialen Medien und das ist was ganz was Tolles. Aber wir können es auch übertreiben. Also wie gesagt, was wir daraus machen, dass das liegt an uns selbst und unseren Vorbildern auch ganz stark.

00:27:44: Alexandra: Also es gibt auch die guten Seiten.

00:27:45: Julia: Auf jeden Fall. Das muss man ganz klar positiv hervorheben.

00:27:50: Alexandra: Na gut, dann nehmen wir unsere Handys wieder raus und beenden diese Podcast-Folge

00:27:53: Alle: [Lachen]

00:27:54: Alexandra: Ich glaube, das ist kein gutes Ende ...

00:27:57: Julia: Es war schön, mit euch geredet zu haben. Das war wahrscheinlich jetzt das letzte Gespräch nachdem die Handys wieder draußen sind.

00:28:05: Natalia: Wir können jetzt darüber reden, wie es mir ging die diese eine Stunde ohne meinem Handy.

00:28:11: Alexandra: Und wie ging es dir Natalia? Warst du gut unterhalten?

00:28:13: Natalia: Tatsächlich war ich gut unterhalten. Danke, liebe Julia, ich glaube das liegt an dir und das ich sehr gerne zugehört habe. Ich habe tatsächlich nicht an mein Handy gedacht, obwohl es vor mir liegt. Also ich habe jetzt keinen Drang es zu benutzen.

00:28:32: Alexandra: Es rauscht weiter, hör in die nächste Folge rein und besuchen uns gerne auf Instagram: @_rauschzeit_ oder @darueberredenwir. Reden hilft: In Wien ist die Sorgenhotline Wien für jede Art von Sorgen zwischen 08:00–20:00 Uhr erreichbar. Notiert dir die Nummer: 01 4000 53000.

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